Über’n Tellerrand

Tamalan geht ins Theater

Eine bewegte Vorweihnachtsspielzeit liegt hinter uns – aber nicht nur wir sind in diesen Wochen viel auf der Bühne – allerorts werden neue Produktionen gezeigt. Im Januar haben wir den Perspektivwechsel gewagt. Wie produzieren andere Theater? Wie gehen sie mit Live-Situationen um? Wie reagiert das Publikum? Die Zuschauer, die neben uns sitzen?

Wir haben verschiedenste Theatergenres besucht, von der klassischen Theaterproduktion im Stadttheater zum experimentelles Theater auf der Studiobühne, von der Oper mit großem Orchester zum Kinderbuchklassiker für Schulpublikum – wir haben einen schönen Querschnitt durch die kulturelle Landschaft erleben dürfen. Und möchten Euch dazu ermuntern:

Geht ins Theater – da erlebt ihr was!

McBeth – Oper – 06. Januar 2024, abends – Theater Bremen

Historische Theater in Bremen am Goetheplatz – ein wunderschönes Haus

Dies war die erste Vorstellung unseres Theater-Marathons. Und gleich starker Tobak! Mit Verdi und der italienische Oper verbinden wir eher leichte Kost, Kostümschlacht, italienische Lieder –

Hier hat Verdi sich das blutrünstige Drama von Shakespeare gegriffen, um es zu vertonen. Viel Mord- und Kriegslust – für uns schwer nachvollziehbar, wie so eine Thematik für eine angenehme Abendunterhaltung herhalten soll. Bemerkenswert war allerdings die Inszenierungsidee, das Szenario wurde durch einen Raum dargestellt, man konnte von aussen durch eine Fensterfront das Innere sehen. Dabei stellte das Innere zuerst das Innen, später das Aussen dar.

Fazit: Seltsam blutrünstig, musikalisch (trotz der Thematik) beeindruckend

Rex – Dornröschen – Kindertheater – 07. Januar 2024, nachm – Schauspiel Hannover

Im Schauspielhaus Hannover, mitten in der Innenstadt, statt Garderobentresen gab es Schließschränke wie im Schwimmbad – ein bisschen befremdlich, wenn auch praktisch.

Das Theater ist als grosse halbrunde Arena gestaltet, von jedem Platz aus gute Sicht.

Die Inszenierung wich zeitweise zwanghaft von der Originalgeschichte ab, ein Phänomen, das wir oft bei modernen Märcheninszenierungen beobachten. Auf den Zeitgeist, der in den Kulturetagen gerne missionarisch verbreitet wird, wurde unentwegt hingewiesen – das nervt auf Dauer. Dass die Märchen an sich schon genügend Potential bieten, sich mit dem eigenen Werdegang und dem menschlichen Miteinander auseinanderzusetzen und dementsprechende Inszenierungsideen aufwerfen, wird dabei oft vergessen.

Fazit: (Märchen)Thema verfehlt, gesellschaftspolitische Thematiken eher verkrampft eingebaut

Der Theatermacher – Schauspiel – 12. Januar 2024, abends – Empore Buchholz

Empore – Veranstaltungshaus, Theater – Show – und Events

Soloprogramm über einen alternden Tourneeschauspieler – einige schöne Anspielungen an einen Beruf, den wir selber ausüben. Ansonsten etwas altbacken, zugeschnitten auf das – überwiegend ältere – Publikum der Abo Reihen im Vorstadt-Theaterhäusern

Fazit: Viel Text-, wenig Körpertheater

Emil und Detektive – Kindertheater – 15. Januar 2024, vormittags – Theater Bremen

Wieder im Theater Bremen am Goetheplatz – dieses Mal zur Schulvorstellung am Morgen um 10 Uhr. Wir warten zwischen den Schülerinnen und Schülern, sitzen oben im zweiten Rang am Rand, das Einweise-Personal ist etwas irritiert, weil wir zwar Erwachsene im Publikum – aber keine Lehrer sind.

Emil und die Detektive wird dynamisch, spannend und kurzweilig gezeigt, die Bühnentechnik mit Fahrstühlen, Drehbühne, Licht- und Soundeffekten wird voll ausgekostet und es gibt jede Menge zu sehen. Dazu eine moderne, musikalische Live-Untermalung – alles Merkmale vom wunderbaren Team des Theaters Bremen. Da stört es dann nur wenig, dass auch hier der Zeitgeist pflichtbewusst eingebaut wird.

Fazit: Unterhaltsames Kindertheater im wunderschönen Theaterhaus

Peter und der Wolf – Kinderoper – 16. Januar 2024 , vormittags – Staatsoper Hamburg

Opera stabile, die Studiobühne der Staatsoper Hamburg – Kindergruppen werden in den mit Teppich ausgelegten Veranstaltungsraum geführt, man zieht beim Einlass die Schuhe aus und sitzt reihum auf Treppen und Podesten.

Das bekannte Musiktheaterstück wird von zwei Sopranistinnen erzählt, fünf Musiker (aus dem Staatsorchester) mit verschiedenen Instrumenten spielen die Motive der Charaktere, aber auch Zwischen- und Übergangsmusiken. Das Spiel findet im gesamten Raum statt, Licht unterstützt die Handlung, die eingestreuten Dialoge der Musiker untereinander finden teilweise in deren Muttersprache statt (fünf Musiker – fünf Nationalitäten). Die Inszenierung wird – und das ist bemerkenswert – auch gerade vom Kindergartenpublikum – interessiert verfolgt. Die eigentlich recht einfach gestrickte Geschichte wird durch die ungewöhnliche Theaterform zu einem grandiosen Erlebnis.

Fazit: Hohe Musiktheaterkunst für das jüngste Publikum

Dreigroschenoper – Schauspiel mit Musik – 17. Januar 2024, abends – Theater Bremen

Wieder im Theater in Bremen am Goetheplatz, ein vielversprechender Theaterabend, eine hochgelobte Produktion

Wieder ziehen Ensemble und Theater Bremen alle Register – hier sieht man, was im Theater möglich ist. Sowohl das speziell besetzte Weill-Orchester (ein echter Hingucker) als auch die fahrbaren Bühnenebenen – die stimmungsvollen Kostüme und die tollen Licht- und Magic-Effekte – alles trug zu einem gelungenen Theater-Erlebnis bei. Einzig – wenn man sein kulturelles Erleben darauf ausrichten will, entspannt unterhalten zu werden, dann ist Berthold Brecht nicht die richtige Wahl… Es geht sehr intellektuell und problembeladen zur Sache.

Fazit: Theater für Fortgeschrittene – toll gemacht

Aida – Oper – 20. Januar 2024, abends – Staatsoper Hannover

Diese Mal im großen Hannoveraner Opernhaus – von außen alt, herrschaftlich und hauptstädtisch – innen (schätze ich) 70er Jahre Renovierung. Wir sitzen – ziemlich teuer ganz oben im Rang und gucken steil auf das Geschehen.

Dieses Mal ein Verdi, der hält, was er verspricht. Fast jedenfalls… Aida, so bekommt man im Vorfeld mit, ist die große Angeberoper. Heutzutage verpönt mit stereotypen Versatzstücken aus dem ägyptischen Kulturraum – Haremsdamen, dunkelhäutige Sklaven und Elefanten! Die scheinen der Dreh- und Angelpunkt zu sein: Die Elefanten! Eine große Stadionproduktion wird in wenigen Tagen mit dieser Oper auf Tour gehen und auch in Hannover gastieren – also direkt nebenan – und man ist ziemlich angefasst ob der angekündigten opulenten Ausstattung und des begleitenden Medienrummels. Nein, hier soll es anders laufen, diesem Kulturkolonialismus will man sich nicht hingeben und so sehen wir eine Produktion, die ein bisschen eingeschnappt das auslässt, was eigentlich auf dem Programm steht. So sehen wir über weite Teile eingeblendeten Fließtext statt Handlung, Kostüme, die aus Demo-Transparenten gefertigt sind und einen Elefanten (ohne geht es dann wohl doch nicht), der – ätsch – extra nicht wie ein richtiger Elefant aussieht. Nicht schön.

Fazit: Aida ohne Aida, gewollt und nicht gekonnt

Die lustige Witwe – Operette – 03. Februar 2024, abends – Stadttheater Bremerhaven

Während wir in der Oper Hannover aus Budgetgründen an einem Wochentag ganz weit oben saßen, konnten wir in Bremerhaven die Premiere (!) im Parkett miterleben. Das Stadttheater Bremerhaven ist mir ein Rätsel – schon oft haben wir leere Reihen gesehen, mehr Akteure als Zuschauer, selbst die Premiere war nicht ausverkauft. Aber Bremerhaven leistet sich ein Drei-Sparten-Theater mit bemerkenswerten Produktionen. Und so sahen wir unsere erste Operette. Während mir diese Genre in jungen Jahren fern lag, kann ich die Mechanismen heute gut nachvollziehen – immerhin orientiert sich unsere Theaterarbeit an ähnlichen Prämissen: Unterhaltung, Kurzweil, Bewegung. Wir sahen eine klassische Operette, leidenschaftlich gespielt, flott (wenn auch nicht spektakulär) inszeniert und ein glückliches Publikum. Spannend auch der Premierenumtrunk danach im Foyer: Genauso, wie wir nach unseren Vorstellungen mit großen Augen angesehen werden, konnten wir hier die Schauspieler und Sänger im privaten Umfeld erleben.

Fazit: Nette Atmosphäre und ein schöner Abschluss unseres Theatermarathons